»Wer einen Garten gestaltet, entwirft ein Wunschbild der Welt. Man nimmt von der Natur das, was nicht weglaufen kann, den Boden und die Pflanzen, und prägt dem seinen Willen auf. Man verwandelt das Land um der Menschen willen, aus den unterschiedlichsten Absichten, die sich ergänzen oder einander widerstreiten, und schon ist man mitten in den Auseinandersetzungen der Politik.« Horst Günther
Unter diesem Motto konzipierte und organisierte Brita Reimers für die Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg 2010 eine Vortragsreihe, sowie das auf der Reihe beruhende Buch „Gärten und Politik. Vom Kultivieren der Erde„, das sich zu lesen lohnt.
„Gärten und Städte entstanden als Orte der Verteidigung gegen die wilde Natur. Ihre Kultivierung war ein Akt der Humanisierung, wobei sich ökonomischer Nutzen und ästhetische Absicht verbanden. Heute ist die Erde weitgehend begärtnert, und die Zonen, die es nicht sind, stehen unter Kontrolle. Doch haben wir uns bei dieser Kulturleistung nicht als Gärtner erwiesen, die in einem pfleglichen Austausch mit der Natur leben, sondern als Herrscher und Ausbeuter. Die Politik einer bis zur Verwüstung schädigenden Landwirtschaft und Industrie ist ebensowenig Ausdruck einer gärtnerischen Haltung wie die kommerziellen Freizeitparks und die eintönigen städtischen Freiräume oder ein zerstörerischer Tourismus übersättigter Kurzweil.
Seitdem wir das Eigenleben der Natur erklären und verwerten, anstatt es verstehen zu wollen, stößt der Mensch nur noch auf sich selbst. (…) Den Garten -wieder als Ort der Begegnung des Menschen mit der Natur zu verstehen, gibt ihm seine Bedeutung zurück. Die vielen Facetten historischer und gegenwärtiger Gärten – nützlich und poetisch, geheim und öffentlich, bescheiden und fürstlich, enzyklopädisch und wild – bieten sich an für die Erörterung, welches Verhältnis wir künftig zur Natur und zu uns selbst haben wollen. Dabei ist die gesellschaftliche Verantwortung des Experten, der sich gegenüber den Pressionen der Politik und den Interessen der Wirtschaft durchsetzen muss, ebenso gefordert wie die des Bürgers mit seinen Vorstellungen von einem guten Leben. In dieser demokratischen Runde müsste auch die Natur eine Stimme haben.
Wäre die Lösung in einer humanen Haltung zu suchen, in der wir uns als Teil des Ganzen der Natur begriffen, freilich im Bewusstsein unserer Verantwortung, da wir ermessen können, dass das Leben in unseren Händen liegt, dann ginge es vor allem darum, die Natur zu beobachten, sie zu verstehen und sich im lebendigen Austausch zwischen natürlichem und kulturellem Wachstum zu integrieren. Menschliche Gestaltung wäre an die bildende Kraft der Natur zurückgebunden.(…) Zu den Künsten, die den Zusammenhang des großen Ganzen nie aufgegeben haben, gesellte sich die Ökologie, die Ernst Haeckel als die umfassende Erforschung der Wechselwirkungen zwischen den Lebewesen und ihrer unbelebten Umwelt beschrieben hat. Für die Umfriedung des Gartens bedeutet das, dass wir sie auf die empfindliche Grenze unserer Biosphäre ausdehnen und den ganzen Planeten als Garten verstehen. Die alte Geschichte vom Paradies ist als politische Geschichte neu zu erzählen.
Dazu bedarf es aller lebendigen Kräfte. Es geht mir darum, die engen Fachgrenzen, die die Welt zersplittern, zu überschreiten und möglichst viele verschiedene, praktisch und theoretisch tätige Experten zu versammeln. Architekturtheoretiker, Botaniker und Bodenkundler, Dramaturgin und Geographin, Historiker, Kulturpflanzenforscher, Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler, Landschaftsarchitekten, Philosophen und Pflanzenzüchter denken über den Garten nach. Die Beiträge erscheinen in der Disparatheit ihrer persönlichen, generationsbedingten und fachlichen Individualität. Aus diesen sehr unterschiedlichen Arten, die Welt wahrzunehmen, zu denken und zu handeln, ist ein Chor entstanden, der komplex ist wie das Leben selbst.
Dieses Konzept spiegelt sich in dem gelockerten chronologischen Aufbau des Buches, der mit zwei vorangestellten Beiträgen aus den großen Bereichen Kultur- und Naturwissenschaften die ganze Weite des Horizonts aufscheinen lässt. Der Zeitraum umfasst die Neuzeit von der Renaissance bis zur Gegenwart, vom humanistischen Garten bis heute, da es darum geht, ein humanes Verhältnis zur Natur zurückzugewinnen.
Wenn es dem Buch gelingt, Kenntnisse über das Wesen des Gartens und Gärtnerns zu vermitteln und Perspektiven zu eröffnen, damit wir eine Antwort darauf finden, welcher Garten unsere Vision der Welt am Anfang des 21. Jahrhunderts repräsentieren könnte, wäre sein Zweck erfüllt.“
Brita Reimers
Hervorhebungen: Michael Felstau