Liebe Freunde in der Forschung und liebe Kreislaufenthusiasten,
die kleine Demoanlage steht jetzt an der Nordbahntrasse, die ersten Tomaten sind gesetzt, der Bakterienfilter ist angefahren und so die Göttin will (genauer das Kreisverterinäramt) können wir in der nächsten Woche die Fischlein zu Wasser lassen und die neue Saison beginnt.
Ich habe in den letzten Monaten einige neue Mitstreiterinnen und Interessierte gefunden und freue mich am neuen Standort auf viele Besucher und interessante Debatten vor Ort oder anderswo. Als kleine Vorlage habe ich ein kleines Pamphlet verpasst, dass ich hier mit Menschen teilen will, denen meine Gedanken nicht ganz fremd sind….
Natürlich erwarte ich das dieser Text (siehe unten) sitzt, wenn ihr mich an der Box besucht ;-): Samstag 13-16 Uhr und Sonntag 15- 18 Uhr.
Aber noch wichtiger wäre mir, dass diese nackten Wahrheiten in die gesamte Nachhaltigkeitsdiskussion einfliessen, die ihr überall vor Ort führt, damit „Butter bei die Fische“ kommt.
Einen schönen Sommer wünsche ich euch und bis bald,
Heiner Petersen
Farmbox für Fortgeschrittene (Aquaponikdemoanlage)
Unsere kleine Farmbox steht hier als Modell für einen funktionierenden Nährstoffkreislauf, wie er in der unberührten Natur tausendfach vorkommt. Angereichert mit Technik, die in ihrer Gesamtbilanz sicher hinterfragt werden kann, aber für dieses Modell notwendig ist, wird Nachhaltigkeit erahnbar wenn …
Grundbedingung für einen funktionierenden Kreislauf ist eine hohe Reinheit der Produkte, die dem Kreislauf zugeführt (z. B. Futter) bzw. die Basis (Wasser) darstellen. Wir habe hier reines Brunnenwasser, können aber, wenn das Dach sauber gespült ist auch Regenwasser nehmen. Das zugeführte Futter ist frei von Medikamenten (was heute nicht selbstverständlich ist) und die Fische werden dank ihrer Robustheit auch nicht medikamentös behandelt. Das ginge zumindest antibiotisch auch gar nicht, weil es den Bakterienfilter zerstören würde und damit das für die Fische giftige NH3 (oder gar NH4 bei zu hohem pH Wert) und NO2 nicht abgebaut werden würden und sowohl Fische aber auch Pflanzen das nicht überleben würden.
Dies Bakterien (haupsächlich Nitrosomonas und Nitrobacter) kommen selbstverständlich auch in der Natur vor, sind in jedem Boden und auf jedem Acker zu finden. Im Unterschied zum Acker werden die Pflanzen hier allerdings bodenlos als Hydrokultur angebaut. Das ist systembedingt, hat Vor- und Nachteile, die hier aber nicht weiter erläutert werden sollen.
Neben den gelösten Nährstoffen fällt bei den Fischen noch ein Teil Fischkot an, der abgefiltert werden kann und z. B. einem Kompost beigemengt oder einer Vergärung zugeführt werden kann. Er enthält alle Mineralien die im Fischfutter sind und von den Fischen nicht aufgenommen aber auch nicht im Wasser gelöst wurden aber natürlich auch Kohlenstoff, der energetisch genutzt werden kann (als CH4).
Die gelösten Nährstoffe werden weitgehend von den Pflanzen aufgenommen und zu Nahrungsmitteln für uns Menschen. Nicht verwertbare Pflanzenteile wie geschossener Salat können an die Nilbarsche verfüttert werden, weil diese sich durchaus mit pflanzlichem Futter begnügen können. Genauere Daten über die jeweilige Futtereffizienz liegen mir noch nicht vor aber es laufen Versuche. Andere Pflanzenteile wie z.B. abgestorbene Tomaten müssen der Kompostierung zugeführt werden, da sie für die Fische giftig wären (Tomatidin= Solanin)
Wir finden hier also den natürlichen Kreislauf abgebildet: Produzenten (Pflanzen)-Konsumenten (Fische)- Destruenten (Bakterien) und wieder von vorne…
Aber: an zwei Stellen werden aus diesem Kreislauf Nahrungsmittel exportiert und also handelt es sich nicht um einen geschlossen Kreislauf (ebenso wenig wie der ökologische Landbau!). Es ist eine Nutzungskaskade. Die Lücke wird dadurch deutlich, dass laufend Fischfutter zugegeben werden muss.
Die Herstellung und der Ursprung dieses Futters ist entscheidend dafür wie weit der Nährstoffkreislauf geschlossen werden kann und somit für die Beurteilung der Effizienz (Nachhaltigkeit).
Und genau diesen Massstab müssen wir auch an unsere übrige Nahrungsmittelproduktion anlegen und im Vergleich dazu sieht ein Aquaponiksystem dann sehr gut aus. Denn wir haben in unserem dominierenden Ernährungssystem:
- einen arg verschmutzten Kreislauf mit chemischen (oft kaum abbaubaren Substanzen) Verunreinigungen durch Medikamente (human), Reinigungsmittel und andere industrielle Beimischungen aller Art.
- Futter dem oft schon Antibiotika beigemischt wird und eine laufende medikamentöse Behandlung von unseren Nutztieren
- eben keine Hydrokultur, die die gelösten Nährstoffe direkt zur Pflanze führt, sondern ein bodenbasiertes Ackerbau- oder Gemüseanbausystem
- völlig getrennte Ver- und Entsorgungssysteme, deren Trennung in den letzten Jahrzehnten immer weiter forciert wurde.
- statt der Rückführung der Pflanzennährstoffe eine Entgasung, eine Verbrennung und eine Restableitung in die Flüsse durch die Klärwerke.
Die politisch zugelassene Verunreinigung der Pflanzennährstoffe ist mit ein Hauptgrund für die schlechte energetische Bilanz unserer Nahrungsmittelproduktion und somit der Klimabilanz in diesem Bereich.
Nun hat man erkannt das dieses oneway Anbausystem doch mit erheblicher Ressourcenverknappung zu tun hat und fängt an aufwändige Recyclingverfahren zur Rückgewinnung des Phosphors zu entwickeln. Es ist absehbar, dass weitere Verfahren für andere Nährstoffe folgen werden, da eine Reduzierung des ökologischen Fussabdruckes (ich unterstelle dies als Ziel) nur durch Kreislaufprozesse erreicht werden kann. Es wird also „end of the pipe“ ein immer höherer Aufwand betrieben, der natürlich vollumfänglich auf die Steuerzahler umgelegt wird. Diese erhöhte Abwassergebühr wird den Milliardär in der gleichen Höhe treffen wie die Alleinerziehende.
Die Einleiter der Schadstoffe (ausgehebeltes Verursacherprinzip) hingegen schaffen es immer wieder die Politik von der Notwendigkeit ihrer Produktion zu überzeugen (Arbeitsplätze, internationaler Wettbewerb).
In Deutschland kommen z. B. 440000t Stickstoff pro Jahr in den Klärwerken an, die dort wie unter Punkt 5 beschrieben entsorgt werden. Allein um diese Menge Stickstoff wieder aus der Luft zu gewinnen (Haber- Bosch- Synthese) brauch es etwa 1000-1300 Windkraftwerke der 3 MW Klasse.
Dem Stickstoff kommt bei der Betrachtung der Klimabilanz unserer Nahrungsmittelproduktion eine doppelte Bedeutung zu. Zum Einen ist er ein wichtiger Baustein im Eiweiss (etwa 16 %) zum Anderen ist er ein wichtiger Baustein bei der Humusbildung. Um eine C-Bindung im Boden zu schaffen, von der alle Welt redet, ist ebenfalls N notwendig. In einem guten Nährhumus beträgt das C-N Verhältnis etwa 10-15 : 1 . Habe ich weniger N zur Verfügung oxidiert der Kohlenstoff wieder im gut durchlüfteten Boden.
Unser heutiges Problem mit dem Nitrat im Grundwasser widerspricht dem oben gesagten nicht sondern ist ein Ergebnis hoher Güllekonzentrationen auf bestimmten Flächen. Der Stickstoff ist und bleibt ein wichtiger Baustein für unsere Ernährung.
Zurück zu den Fischen: den weitaus grössten Teil (bis 90%) des Ammoniaks (Eiweisstoffwechsel) scheiden sie über die Kiemen aus und diese werden durch die Bakterien im Biofilter zu pflanzenverfügbarem Nitrat umgewandelt.
Bei Menschen finden sich 70-80% der Nährstoffe im Urin, der übrigens 1% des anfallenden Abwassers im Klärwerk ausmacht.
Das ist doch schon mal ein Ansatz um gemeinsam nachzudenken wie wir in eine Kreislaufwirtschaft einsteigen können.