17. April – Das Projekt „Farmbox“ bei den Aktionswochen

Der „Aufbruch am Arrenberg“ und „Utopiastadt“ werden ab diesem Frühjahr gemeinsam die Farmbox auf dem UtopiastadtCampus betreiben. Heiner Petersen, der die Farmbox in der letzten Saison am Standort Steinbeck betreut hat, wird von der Idee Aquaponic und ihrer Umsetzung in der Farmbox erzählen und einen Ausblick auf die diesjährige Saison geben. Die Farmbox steht leider noch nicht an ihrem neuen Standort.

Ebenso kommen wir gerne mit Euch zum Thema alternative Ernährungssysteme ins Gespräch am Dienstag, den 17.04. um 18:00 Uhr

Die schlüpfrige Begriff der Nachhaltigkeit und ihr Doppelleben in uns am Beispiel eines alten Bauern

Wir alle mögen diesen ausgelutschten Begriff nicht mehr und glücklicherweise haben solche Begriffen auch nur eine begrenzte Halbwertszeit. Als ich mit dem Bioanbau anfing
gab es dieses Wort noch gar nicht. Damals waren „gesund, giftfrei, Vollkorn, bio….. „ die
Begriffe, die wir bei der Vermarktung unserer Produkte einsetzten. Dass ich damals in
einem „low input Anbausystem“ herumwurschelte, wusste ich noch nicht. Statt
Klimawandel war Ozon das Thema und wir wollten verbesserte Kohlekraftwerke statt Atomstrom. Mit der Einstellung ist man heute Klimaleugner. Aber den lustigen Begriff gab es da noch nicht und der ist ja auch schon wieder weg.

Dass die ursprüngliche Förderung des ökologischen Landbaus in erster Linie eine
marktsteuernde Massnahme war, weiss auch kaum noch einer. Denn die Politiker die
damals mehrheitlich für die Einführung von einer Förderung von 500 DM pro Hektar für
den ökologischen Landbau stimmten…, na gut ein paar waren sicher dabei die wussten
was sie taten… Aber die meisten freuten sich darüber, dass die Überproduktion in einigen
Bereichen reduziert wurde (50%) und die so vorgenommene Marktentlastung ein Beitrag
zur Stabilisierung der Preise war.

Diese Förderung und damals noch traumhafte Preise für die Bio Rohwaren forcierte dann
die Produktion bei noch recht amateurhaften Vermarktungsstrukturen. Bei mir kamen
damals (1982) zwei „BiobäckerInnen“ (er hiess Carlos, ihren Namen erinnere ich nicht) in
einem alten VW Bus an, der von uns mit Roggensäcken leicht überladen wurde und dann
zurück zur Bäckerei fuhr.

Nur: ich arbeitete auf einem Hof bei Flensburg und die freaks kamen aus Berlin! Der
Handel (Bargeld natürlich) wurde dann mit einer herumgereichten Pfeife besiegelt, ach,
wie wir solche indianischen Rituale liebten!

Eine CO2 Bilanz für Getreide gab es nicht aber wir machten uns Gedanken über
Energieproduktivität! Als politische Kinder der 70er, in denen wir zwei Energiekrisen
erlebten, war das unser Thema. So kam ich auch zum Ökolandbau (neben dem Einfluss
des „Stummen Frühlings“), denn Studien aus den USA (Leach, Lockeretz) besagten, dass
diese Produktivität im Bioanbau eher höher war. Und mein Freund und Wohngenosse
übertrug diesen Vergleich in seiner Diplomarbeit auf einen deutschen Biohof und kam zu
dem gleichen Ergebniss. Mir waren solche kleinen Betrachtungen zu piefig und ich schrieb
dann gleich über die „Weltprimärenergiesituation mit dem Versuch eines Ausblicks“. Ich
fühlte mich dabei gar nicht überfordert zumal ich in meinem Literaturverzeichnis auch
einige Psychoanalytiker hatte….aber einer der Prüfer sah das etwas anders 😉
Über den Vertrieb a la VW Bus wollen wir nicht reden. Aber das tun wir besser heute auch
nicht, wenn die Brötchen mit dem SUV geholt werden.

Dann übernahmen die Profis die Vermarktung, brachten Struktur in die Sache. Es wurde
zumindest schon mal über das Aussehen der Produkte gesprochen und es wurde
Verpackungen und unzählige labels und logos entworfen. Mit jeder neuen geförderten
Vermarktungsinitiative entstanden neue bunte Bilder und Grafik-Design Büros tauchten
sogar auf dem Land auf. Da waren wir Bauern aussen vor, davon hatten wir keine Ahnung
(wer die Weltprimärenergiesituation klarmacht, kann sich nicht auch noch um Tüten
kümmern).

Aber wir lernten. Ich konzentrierte mich auf die Produktion (und ihre Auswirkungen) und
hatte fortan auf grösser werdenden Betrieben immer Menschen an der Seite, die meine
Produkte vermarkteten. Am Stadtrand von Hamburg, mit einem Kundenstamm der zum
grossen Teil aus hanseatischen Pfeffersäcken bestand, wurden die Kartoffelsäcke immer
kleiner aber bunter und zu Weihnachten kam ein rotes Schleifchen dran. Ich staunte, aber
ob der Preise wehrte ich mich nicht.

Dann kam die Wende und ich kam auf die richtig grossen Betriebe im Osten. Diese waren
dann für Forscher aus allen Bereichen interessant. Ich arbeitete mit an Projekten zur
Biodiversität, Homöopathie im Stall, wir entwarfen idealtypischen Landschaften
(Permakultur in gross), mit Architekten entstand der Entwurf eines energieautarken
abwasserlosen Gebäudes und natürlich betrieben wir agrarspezifische Forschung mit
alten Getreidesorten, Mischkulturen, pflugloser Bodenbearbeitung etc. Es war spannend.
Für mich wurde aber alles dominiert durch den Kontakt zu einem kurz vor der Emeritierung stehenden Limnologen der TU Berlin. Ich hatte ihm gegenüber dummerweise erzählt, dass ich Biolandbau betreibe und dieser mit nahezu geschlossenen Stoffkreisläufe agiere und wir somit die Besseren seien, gerade in Hinblick auf seine Forschung. Er hatte nämlich grosse Projekte zum Nährstoffaustrag aus der Landschaft durchgeführt und mir die katastrophalen Auswirkungen auf Binnengewässer und Ozeane aufgezeigt.
Gemeinsam beschlossen wir, den damals von mir geleiteten Betrieb zu analysieren und
die DBU fand unser Projekt so spannend, das sie diese Vorstudie förderte. Wir
untersuchten die Nachhaltigkeit an einem konkreten biologisch dynamischen Betrieb.
Das Ergebnis war niederschmetternd und gemeinsam erarbeiteten wir den Plan, dass wir
die Stadt, den Verbraucher, wieder in den Kreislauf holen müssten oder den Begriff
Nachhaltigkeit aus unserem Vokabular streichen sollten.

Es blieb leider beim Plan. Der Besitzer machte mir klar, dass er von solchen Ideen gar
nichts hielte und wir trennten uns. Ich selbst stieg 10 Jahre in kein Flugzeug mehr und
lernte wieder Fahrrad fahren.

Ich wechselte auf einen anderen Grossbetrieb, der zumindest keine ineffiziente
Tierhaltung hatte und nur agrarspezifische Forschung auf dem Betrieb durchführte ohne
grossen Anspruch die Welt zu retten, dafür ökonomisch kerngesund. Aber ich bekam die
defekten Nährstoffkreisläufe nicht mehr aus meinem Kopf. Und dummerweise bekam ich
eine Einladung zur Verteidigung einer Dissertation an der HU mit dem Thema: „Einsatz
von Urin als Dünger“. Da drehte sich wieder alles bei mir und ich fragte meinen neuen
Chef ganz zart, ob er sich vorstellen könne, dazu Versuche zu machen, ich hätte da eine
Anfrage von den Berliner Wasserbetrieben…. Empörung war die Antwort und ich konnte es
gut verstehen. Das „saubere Produkt“ Ökogetreide und eine Düngung mit Urin passen (mit
den derzeitigen Richtlinien von Bioland schon gar nicht) einfach vermarktungstechnisch
nicht zusammen.

In der Forschung tauchten jetzt so flotte Begriffe wie „Klimaadaption, Resilienz,
Prosumenten“ usw. und die heiligen sdgs auf. Ich dagegen bin noch geprägt von dem
Vorsorgeprinzip (precautionary principle) aus den Papieren von der Umweltkonferenz in
Rio (92), die damals angeblich einen Durchbruch hin zur besseren Welt brachte und die
von Forschern (insbesondere BfN) bejubelt wurde.

Einen Scheiss hat sie! Mensch kann sich nur mal die Zahlen zur Abholzung und
abnehmenden Biodiversität seit 92 anschauen, dann weisste Bescheid!
Jetzt reden wir über 4,3,2,1, Grad Ziele, die es einzuhalten gilt, die sdgs, die den
Durchbruch bedeuten und die vier ifoam Säulen (Gesundheit, Ökologie, fairness und
Vorsorge), die die Richtung bestimmen.

Jeder Unternehmer der was auf sich hält bringt jetzt ein klimaneutrales Produkt auf den
Markt und Heerscharen von Kommunikationskünstlern bringen das unters Volk. Hatten wir
damals die ganzen Ökolabels durch die keiner mehr durchblickte, so haben wir heute die
ganzen Klimalabels. Die Produkte sehen aus wie prämierte Zuchtstiere auf der Auktion
oder Generäle der russischen Armee.

Der gemeine Mensch auf der Strasse hat längst abgeschaltet, überlässt den Forschern
und Kommunikationswissenschaftlern ihr Terrain und wählt AFD, weil diese was mit
Heimat haben und es schon alles richten werden. Ausserdem sind die besonders
klimaneutralen Produkte leider immer etwas teurer und somit eh unerschwinglich. Was
bleibt sind Kleiderkammer, foodsharing, repair-cafe etc, wo es keine labels gibt, aber
gelebte funktionierende Nachhaltigkeit ohne tamtam.

Als ich seinerzeit mit meinem geregelten Dreiwegekatalysator in den Osten ging, wo noch
die Trabbies tonangebend waren, fühlte ich mich ökologisch überlegen. Bis zu dem Tag
wo ich mit Arbeitskollegen mal über die jährliche Laufleistung und die Lebensdauer ihrer
Fahrzeuge (heute: lca) sprach. Es war wie mit den Urlaubsflügen … es hinterliess ein
scheiss Gefühl…

Zusammen mit einem Wissenschaftler entwickelte ich dann vor ein paar Jahren die Idee
einer neuen Landwirtschaft, die sich an die c2c Prinzipen orientiert und dann wohl eher als
regenerativ und nicht als als ökologisch bezeichnet werden müsste. Aber ich verlor den
Mut, wurde Rentner und hoffte so ein bisschen, dass sich „unsere Wahrheit“ durchsetzen
würde. Klappt aber nicht, wie ich immer wieder lese.

Dann merkte ich: es ist viel in Bewegung in und um Wuppertal und versteckt in Ecken und
Spalten sitzen Gleichgesinnte. Oder zumindest Leute die in einen fröhlichen Disput
gehen.

Mit euch möchte ich am 17.4. um 18 Uhr in Utopiastadt (Mirker Bahnhof) über die Agrarwende und die farmbox reden!

Seid herzlich eingeladen,
Heiner

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